Wahlkampf Kärnten: Wehe, wenn Fakeprofile wählen dürften.

Seit mittlerweile 20 Jahren tummeln wir uns in sogenannten Social Media, unzählige Wahlkämpfe im In- und Ausland durften wir dabei beobachten. Wir moderieren 24/7 im Team die Kanäle unserer Auftraggeber:innen. Heuer 2023 wird es auch im kleinen Kärnten gerade richtig absurd.

Es scheint schon mehr Facebook-User mit der gleichen Meinung zu geben, als Wahlberechtigte überhaupt! Natürlich ist es kein Geheimnis, dass politische Parteien nicht davor zurückschrecken Social Media zur Meinungsbildung online auch oft entgegen den dort vorherrschenden Nutzungsbedingungen verwenden. So legt man sich mit ein paar Klicks schnell ein zusätzliches Profil an, und schon hat man zwei Kanäle, die dann Meinungen trommeln können. Damit nicht genug, bald hat man drei, bald zehn, usw. Bei solch exzessiver Nutzung bleibt dann auch nicht mehr viel Zeit die einzelnen Profile mit Fake-Fotos und Informationen zu tarnen, sie stehen dann oft im großen Wiederspruch zum Verhalten eben eines solchen Profils: Kampfbereit und extrovertiert präsentiert man sich gerne in den Kanälen der politischen Gegner, das eigene Profil hat aber nicht einmal ein Foto, oder gar Informationen zu der erfundenen Person, die dahinterzustecken vorgegaukelt wird.

Auffällig sind auch die immer gleichlautenden Parolen und Äußerungen, die eben jene Profile von sich geben, auch hier wird schon auf eine Paraphrasierung verzichtet, ja sogar vollständige Namen scheinen zu mühsam. Als „Da Kö“ oder „JO GA“, teilweise auch mit auffällig über-deutschem Namen (bei Wählen von Namen hat man scheinbar Spaß) tritt man auf und kopiert Wortmeldungen, auch gerne aus dem Zusammenhang, unaufhörlich unter jedes Posting, das der politische Gegner unternimmt.

Das alles klingt nach einem Kavaliersdelikt, sollte es aber in Österreich nicht bleiben.

Social Media, korrekt übersetzt „gesellschaftliche Medien“ (nicht soziale Medien, sozial ist dort überhaupt nichts!), müssen natürlich zum ureigensten Auftrag und meist auch Statut einer jeden politischen Partei (oder sehr modern ist ja heute auch „politischen Bewegung“) verwendet werden: Der Aufklärung und Stimmbildung, im Sinne des demokratischen Prozesses in der Bevölkerung. Dafür gibt es völlig zurecht auch Budgets und Förderungen, so die Regeln. Ein überbordendes Verwischen von Fakten durch populistische Falschäußerungen bewegen sich nicht im Rahmen dieser, im Gegenteil. Keine Partei würde sich so oft gelesene Fake-Profil-Meldungen aufs Plakat drucken, oder gar damit in die Zeitung gehen. Viel zu leicht könnte man den Ursprung rückverfolgen und Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen. Online verhält sich das gefährlich anders. Eine aufregende Äußerung findet tatsächlich bald Menschen die sich gerne mit-aufregen und dieser Ente dann aufsitzen und sie plötzlich verbreiten – nicht wissend an welch gefährlichem Spiel sie plötzlich teilnehmen. Vor Jahren warnten schlaue Professoren, zum Beispiel an der Universität Klagenfurt schon davor, dass wir im postfaktischen Zeitalter leben und spätestens bei der Wahlkampfbeobachtung online, heuer 2023, ist das durchaus wieder spürbar.

Die etwas lächerlichen Versuche eines Partei-Aktivisten einer „neuen Bewegung“ anlässlich der Landtagswahl 2013 waren noch unausgegoren, ziemlich peinlich und plump. So verglich er zum Beispiel Spitzenkandidaten mit Tieren, wobei sein majestätischer Adler das Murmeltier und den Wurm der anderen Parteien selbstverständlich überfolg. Diese Bemühungen konnten nur die einfachsten Gemüter bewegen und waren zu belächeln. Bei der Landtagswahl 2018 und zur Gemeinderatswahl in Klagenfurt 2021 war feststellbar, dass hier Hausaufgaben gemacht wurden und die Krönung dürfen wir jetzt erleben. Für Forscher und Interessierte eigentlich ganz offen einsehbar und nachvollziehbar – Profile ohne Bezug zu Realpersonen, die nur zu Wahlkampfzeiten aktiv sind, trommeln hauptsächlich auf fremden – „gegnerischen“ – Seiten und Profilen immer die gleiche Wortmeldung. Es lässt sich abzählen welche Partei wieviele Fakeprofile betreibt und wie vehement sie eingesetzt werden.

Ein Glaube scheint vorherrschend: Eine Lüge muß nur oft genug wiederholt werden, irgendetwas bleibt davon kleben und irgendwer erleidet dadurch Schaden. Dabei dürfen die Namen der Beschuldigten entsprechend dem Gegnerprofil auch gerne mal wechseln – so werden unterschiedlichen Spitzenkandidaten tatsächlich die gleichen politischen Verfehlungen vorgeworfen, im gleichen Wortlaut, mit den gleichen Beschimpfungen – vom gleichen Fakeprofil!

Das Internet, im Speziellen tolle Projekte wie Wikipedia, leben von der Intelligenz und dem Korrektiv von vielen. Ebenso von der Vielfalt, und durchaus auch von unterschiedlichen Denkansätzen und Meinungen. Social Media dienen von der Nutzung als Werbeplattform abgesehen, doch auch einem gesellschaftlichen und guten Zweck. Es ist tragisch, diese Pervertierung zu Wahlkampfzeiten miterleben zu müssen und den vollkommen fehlenden Umgang mit diesem Phänomen auch zu bemerken. Auch zeichnet es nicht unbedingt das Sittenbild unserer Politikerinnen und Politiker, das man sehr gerne an der Spitze der Entscheidungskraft über unser Landesbudget sehen möchte.

„O tempora, o mores“, wie der alte Römer wohl sagen würde… wir sehen dem Ausgang der Landtagswahl mit Spannung entgegen und gleichzeitig freuen wir uns auf ein demilitarisiertes Arbeitsumfeld in Social Media – dann wenn die Fakes wieder verstummen und das Netz nach und nach wieder von echten Personen und Persönlichkeiten übernommen wird…

Wahlkampf Kärnten: Wehe, wenn Fakeprofile wählen dürften.

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